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In der dritten Folge des CHE Wahlprogramm-Checks beschäftigen sich Sigrun Nickel und Anna-Lena Thiele mit dem Thema Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung.

Alle weiteren Folgen des Wahlprogramm-Checks zu den Themen Third Mission, akademische Weiterbildung, digitale Hochschulbildung und Hochschulfinanzierung sind online unter den jeweiligen Links abrufbar.   

Die Herausforderungen

Eine verbesserte Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung steht seit zwei Jahrzehnten verstärkt auf der bildungspolitischen Agenda von Bund und Ländern. Dabei bleiben die beiden Säulen zwar weiterhin getrennt, doch sollen zwischen ihnen weitgehende und fließende Übergänge entstehen. Ziel ist, den Menschen in Deutschland bestmögliche Bildungschancen zu bieten, um ihre Entwicklung zu fördern und damit zugleich ausreichend gut qualifizierte Fachkräfte hervorzubringen. Etliche Schritte sind in dieser Hinsicht bereits unternommen worden, wie z. B. die bundesweite Etablierung von Studienmöglichkeiten für Personen ohne (Fach-)Abitur oder die Förderung von Initiativen, die Studienabbrecher*innen den Einstieg in eine Berufsausbildung ermöglichen. Trotzdem herrscht hier noch Luft nach oben. Notwendig ist künftig eine noch weitergehende und passgenauere Verschränkung der Bildungsangebote aus dem beruflichen und akademischen Sektor, wie es beispielsweise im berufsbegleitenden und dualen Studium der Fall ist. Ebenfalls erforderlich ist eine ausgewogene Balance zwischen der Vielfalt der Bildungsangebote bzw. Bildungswege und einer erwartungssicheren Orientierung durch übergreifende Rahmen, um kreative und innovative Einzellösungen weiterhin erhalten zu können, aber gleichzeitig neue Sackgassen zu vermeiden.

 

Die Lösungsansätze in den Parteiprogrammen

Das Thema Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung nimmt für alle im Bundestag vertretenen Parteien – mit Ausnahme der AfD – einen deutlichen Stellenwert ein. Unterschiede zeigen sich vor allem hinsichtlich der Konkretisierung. So führen die Grünen allgemein an, dass die Bildungswege flexibel und durchlässig sein müssen. Daher wollen sie die vielfältigen Lebensbahnen und die dazu passenden Bildungsverläufe unterstützen. Für die CDU ist das Thema ebenfalls wichtig. Duale Studiengänge insbesondere in den Ingenieurwissenschaften, Informatik, Betriebswirtschaftslehre sowie in den Sozial- und Gesundheitswissenschaften sollen weiter ausgebaut werden, da diese einen wichtigen Beitrag bei der Verknüpfung von beruflicher und akademischer Qualifizierung leisten. Auch die SPD möchte das duale Studium besser fördern. Die Linken geben an, dass das duale Studium öffentlich-rechtlich akkreditiert und zu gleichwertigen Abschlüssen führen muss. Weiterhin sollen dual Studierende einen Ausbildungsvertrag mit einer Mindestvergütung bekommen. Darüber hinaus soll der Zugang zum dualen Studium ohne Abitur möglich sein. Die FDP gibt dagegen eher grundsätzlich an, dass hybride Angebote und eine bessere Anerkennung bereits erworbener Kompetenzen die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung erhöhen soll.

Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung ist für die AfD, CDU, SPD und die Grünen ein zentrales Anliegen. Die CDU möchte wieder mehr Gewicht auf die Ausbildung junger Menschen als Facharbeiter *innen und Handwerker*innen legen. Eine Karriere in der beruflichen Bildung muss als gleichwertige Alternative zum Studium erkennbar sein (CDU), Karriereoptionen für die Beschäftigten eröffnen (SPD) und gleichwertige Chancen auf eine selbstbestimmte Lebensplanung und ein erfolgreiches Arbeitsleben bieten (Die Grünen). Ziel der AfD ist, das berufliche Bildungs- und Ausbildungssystem zu stärken und hier insbesondere den Wert der beruflichen Bildung zu heben.

Drei Parteien fokussieren einzelne Berufsfelder. So will die FDP, dass im öffentlichen Dienst berufliche Qualifikationen für höhere Karrierewege als gleichberechtigt anerkannt wird. Die SPD möchte in den Berufen der Gesundheit, Pflege und Erziehung die dualen akademischen Ausbildungswege und damit die Bedeutung der Professionalität in diesen Berufsfeldern stärken, Qualität sichern und Karriereoptionen für die Beschäftigten eröffnen. Aus Sicht der Linken soll die Ausbildung als Erzieher*in der frühkindlichen Bildung auf Hochschulniveau angehoben werden. Auch Menschen ohne Hochschulzugangsberechtigung sollen Zugang zum Erziehungsberuf haben.

 

Position des CHE

Ein Schwerpunkt in den Wahlprogrammen der CDU, der SPD und der Linken liegt auf dem dualen Studium. Dabei fokussiert sich die Linke auf Aspekte, die zum Teil bereits Realität sind. So handelt es sich bei dualen Studiengängen um reguläre Angebote von Hochschulen, deren Qualität wie auch sonst im Hochschulbereich durch eine Akkreditierung geprüft wird. Sie besitzen keinen Sonderstatus und sind damit anderen Hochschulabschlüssen gleichwertig. Einen zentralen Punkt benennt die Linke jedoch bei der Absicherung von dual Studierenden durch Ausbildungsverträge. In puncto arbeitsrechtliche Absicherung dual Studierender herrschen noch Grauzonen, wobei diese weniger solche Studiengänge betreffen, die Studium und Berufsausbildung verbinden, sondern vielmehr duale Studienangebote, die ein Studium mit längeren Praxisphasen im Unternehmen kombinieren. Letztere stellen mittlerweile die am meisten verbreitete Form des dualen Studiums in Deutschland dar. Ein Ausbau des dualen Studiums, welcher implizit auch von der FDP im Zuge ihres Plädoyers für mehr hybride Angebote befürwortet wird, ist aus CHE-Sicht zu begrüßen. Allerdings ist dieser sehr anspruchsvoll, und zwar vor allem mit Blick auf eine gute Verzahnung der beiden Lernorte Hochschule und Unternehmen. Hier gilt es bestehende Qualitätsmängel im Blick zu behalten und Rahmenbedingungen zu schaffen, welche diese nach Möglichkeit beheben oder gar nicht erst entstehen lassen.

Bundesweit ist der Zugang zum Studium generell auch ohne (Fach-)Abitur möglich. In dem einmal jährlich durchgeführten Datenmonitoring des CHE zur Entwicklung des Studiums ohne (Fach-)Abitur in Deutschland zeigt sich eine bislang kontinuierlich wachsende Nachfrage nach dieser Art des Hochschulzugangs. Seit der bundesweiten Einführung dieser Möglichkeit im Jahr 2009 hat das CHE mit finanzieller Unterstützung des Stifterverbands ein Online-Serviceangebot für beruflich Qualifizierte aufgebaut, um sie dabei zu unterstützen, ihren Weg durch den Dschungel der unterschiedlichen Zugangsbedingungen zum Studium in den 16 Bundesländern zu finden. Die landesrechtlichen Regelungen zum Studium ohne (Fach-)Abitur sind für Interessierte sehr unübersichtlich und müssen dringend harmonisiert werden. Leider geschieht seit Jahren nichts in diese Richtung.

Die von AfD, SPD, CDU und Grünen betonte Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung ist sinnvoll und tatsächlich ist diese in grundlegenden Dokumenten wie z. B. dem Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) bereits verankert. Immer wieder ist von Bund, Ländern und Wirtschaftsverbänden versucht worden, die Attraktivität der beruflichen Bildung etwa durch bundesweite oder branchenspezifische Werbekampagnen zu steigern. Problem ist jedoch, dass eine Abstimmung mit den Füßen stattfindet und sich Menschen vermehrt für ein Hochschulstudium entscheiden, sofern sie die Möglichkeit dazu haben. Vor diesem Hintergrund wäre es sinnvoll, das bestehende Konkurrenzverhältnis der beruflichen und der akademischen Bildung aufzulösen, indem beide Säulen als ein sich ergänzendes und ineinandergreifendes System gestaltet werden.

Dies zeigt sich auch in den von SPD und Linken adressierten Gesundheits-, Pflege- und Erziehungsberufen. Hier findet bereits seit einigen Jahren eine zunehmende Akademisierung statt. Die Grenzen zwischen Berufsausbildung, Berufstätigkeit und Studium sind oft fließend. Dabei ist die Situation in den einzelnen Feldern zum Teil sehr unterschiedlich. Während beispielsweise die Hebammenausbildung seit Beginn dieses Jahres nur noch im dualen Studium absolviert werden kann, hängt der Bereich der Physio- und Ergotherapie hier hinterher und wartet seit Jahren auf einen entsprechenden Vorstoß der Politik. Was im Zuge der Akademisierung der Gesundheitsberufe bislang zu wenig mitgedacht worden ist, ist die Tatsache, dass akademisch gebildete Arbeitskräfte andere Arbeitsbedingungen und auch Gehälter erwarten als Personen mit einer Berufsausbildung. Hier besteht ebenfalls Handlungsbedarf durch die Überprüfung und ggf. Neugestaltung der Arbeitsplatzstrukturen.

 

Fazit

Dem Thema „Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung“ wird mit Ausnahme der AfD von allen Parteien eine umfassende Bedeutung beigemessen. Allerdings in sehr unterschiedlicher Weise und mit zum Teil spezifischen Schwerpunktsetzungen. Bei der Linken fällt auf, dass oft Punkte angesprochen werden, die bereits umgesetzt sind. Insgesamt bleiben die Aussagen der Parteien eher pauschal, wie beispielsweise, dass Bildungswege flexibel und durchlässig sein müssen. Es werden nur wenige konkrete Handlungsfelder oder Änderungsmaßnahmen zur Erhöhung der Durchlässigkeit benannt. Bei der Allgemeinheit der Aussagen bleibt es nicht aus, dass mit Blick auf bestimmte Wählerschichten Dinge versprochen werden, deren konkrete Umsetzung viel anspruchsvoller und schwieriger ist, als es in den Wahlprogrammen klingt.

 

Eine ausführliche Analyse aller Wahlprogramme zu vielen weiteren Themen der Hochschulpolitik sowie zum Schwerpunkt Digitalisierung findet sich im Blog des Hochschulforums Digitalisierung

Sigrun Nickel

Leiterin Hochschulforschung

Tel.: +49 5241 9761-23
Fax: +49 5241 9761-40
E-Mail: Sigrun.Nickel@che.de

Assistenz:
Petra Bischof
Tel.: +49 5241 9761-42

Arbeitsschwerpunkte:
Forschungsprojekte zu Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung, Karrieren in der Wissenschaft sowie im Hochschulmanagement, Qualitätsentwicklung, Hochschulgovernance, Durchführung von Evaluationsverfahren, Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen im Bereich Hochschulmanagement

https://www.che.de/teams/sigrun-nickel