Bei der Akademisierung des Gesundheitssektors spielen berufserfahrene Studierende eine zentrale Rolle. Sowohl im dualen Studium, beim Studium ohne (Fach-)Abitur als auch im Rahmen der wissenschaftlichen Weiterbildung zeigt sich nicht nur ein starkes zahlenmäßiges Wachstum gesundheitswissenschaftlich ausgerichteter Qualifizierungsangebote, sondern auch ein starker Anstieg der Studierendenzahlen in diesem Fachgebiet. Dies belegt ein Artikel in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „die hochschule“, in dem die beiden CHE-Mitarbeiterinnen Sigrun Nickel und Anna-Lena Thiele die Entwicklung auf diesem Sektor seit Beginn der 2000er Jahre untersucht haben.
In den Pflege- und Gesundheitsberufen zeichnet sich seit einigen Jahren aufgrund der gestiegenen Anforderungen an medizinisch-technische Versorgungsleistungen und -strukturen ein Trend zur Akademisierung ab, der sich auch in einer zunehmenden Anzahl entsprechender Studienangebote insbesondere in den Bereichen Pflege, Physio- und Ergotherapie, Logopädie und Hebammenwesen widerspiegelt. In diesem Zusammenhang fragen verstärkt Personen eine akademische Bildung nach, die nicht dem im Hochschulbereich vorherrschenden Bild eines Vollzeitstudierenden entsprechen, der in der Schule eine Hochschulreife erworben hat und nach deren Erwerb mehr oder weniger direkt ins Studium gestartet ist. Stattdessen besteht in den Pflege- und Gesundheitsberufen ein wachsender Bedarf nach einer Kombination von beruflich erworbenem Wissen mit einer akademischen (Weiter-)Qualifizierung. Dies betrifft vor allem duale Studiengänge, Studienmöglichkeiten für Personen ohne allgemeine Hochschul- und Fachhochschulreife sowie die wissenschaftliche Weiterbildung.
So hat sich der Anteil der Erstsemester in dualen Studiengängen, die im gesundheitswissenschaftlichen Bereich ein Studium parallel zur Berufsausbildung ermöglichen, zwischen den Jahren 2005 und 2017 von 7 Prozent auf rund 15 Prozent mehr als verdoppelt. Noch etwas deutlicher fällt der Anstieg beim Studium ohne (Fach-)Abitur aus. Wählten im Jahr 2002 nur 0,7 Prozent aller Erstsemester, die über den beruflichen Weg in die Hochschule gelangt waren, einen Studiengang aus der Fächergruppe Gesundheitswissenschaften, lag deren Quote im Jahr bereits bei rund 12 Prozent.
Valide Teilnehmerzahlen bezogen auf die wissenschaftliche Weiterbildung existieren nicht, aktuelle Studien zeigen jedoch ein deutlich wachsendes Angebot an akademischen Fortbildungsangeboten für Berufstätige im Bereich Pflege und Gesundheit. So hat sich beispielsweise der Anteil entsprechender wissenschaftlichen Weiterbildungsangebote in den 77 Förderprojekten des Bund-Länder-Wettbewerbs „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“, an denen über 100 deutsche Hochschule beteiligt sind, innerhalb von neun Jahren auf mittlerweile rund 20 Prozent gesteigert. Dabei handelt es sich sowohl um berufsbegleitende Studiengänge als auch um kürzere Zertifikatskurse und –programme.
Der Artikel von Sigrun Nickel und Anna-Lena-Thiele ist im Heft 2/2019 der Zeitschrift „die hochschule“ mit dem Themenschwerpunkt „Prozesse der Akademisierung“ erschienen. Nähere Informationen zum Heft
Der Artikel der beiden Autorinnen ist online abrufbar
Die Rolle berufserfahrener Studierender bei der Akademisierung des Gesundheitssektors 12. Februar 2020 482.34 KB 8228 downloads
Nickel, Sigrun; Thiele, Anna-Lena: Die Rolle berufserfahrener Studierender bei der...Feature zu Hebammenstudium in SWR2 Wissen
In dem Audio-Beitrag von SWR2 Wissen über das Hebammenstudium vom 16. Januar 2021 “Hebammen an die Hochschule – Ein Ausbildungsberuf wird zum Studium” erläutert Sigrun Nickel, Leiterin für Hochschulforschung, dass die Akademisierung nicht allein den Hebammenberuf betrifft, sondern auch in der Pflegeausbildung und generell in Gesundheitsfachberufen ein akademischer Trend zu beobachten ist. (Ab Minute 21:05)