Das Ideal der „World Class Research University“, also der international renommierten Forschungsuniversität, dominiert immer noch weitgehend die Vorstellung einer „Hochschule“. Der damit ausgedrückte Anspruch und die damit umgesetzte Ausrichtung decken aber inzwischen weder alle Bedürfnisse des Arbeitsmarktes bzw. der Wirtschaft noch die Wünsche der Individuen ab. Das forschungsorientierte Einheitsideal ist auf Dauer weder realistisch noch sinnvoll. Auch die klassische deutsche Definition einer Hochschule (die z.B. stark auf angemessene Räumlichkeiten, ausreichende Bibliotheksausstattung sowie mindestens promovierte Lehrende mit hohem Autonomiegrad achtet) muss sich aufgrund veränderter gesellschaftlicher Bedürfnisse und Anforderungen kritisch hinterfragen lassen. In Deutschland entsteht mittlerweile eine zunehmende Akzeptanz für „vielfältige Exzellenz“ – die Differenzierung des Hochschulsektors geht jedoch in manchen Staaten weit über die hier eher zaghaft umgesetzte Binnendifferenzierung hinaus in Richtung einer Ausreizung und Erweiterung der Grenzen. Im Ausland entwickeln sich bereits jetzt neue Formen von HEI (Higher Education Institutions): Hochschulen, die sich auf ganz spezielle Zielgruppen beschränken, innovative Lehrformen etablieren oder ein thematisch oder methodisch sehr geschärftes Profil pflegen. Sind solche Institutionen auch in Deutschland denkbar? Wären sie hilfreich? Wären sie umsetzbar auf der Basis der derzeitigen rechtlichen Regelungen?
Untersucht wird, welche innovativen Hochschulformen sich im Ausland entwickelt haben und was die „Treiber“ hinter diesen Entwicklungen ist. Die Ausdifferenzierung von Profilen im Hochschulsystem wird anhand von besonders exponierten Beispielen verdeutlicht. Parallel wird der Frage nachgegangen, welchen Herausforderungen sich das deutsche Hochschulsystem stellen muss (widening partizipation, Individualisierung…). Anschließend wird in den Blick genommen, welche alternativen Hochschulprofilierung in Deutschland nötig wären aufgrund gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder individueller Bedarfe. Abschließend wird die Frage untersucht, wie die Umsetzung innovativer Hochschulprofile in Deutschland gelingen kann, ohne wahllos jede denkbare Einrichtung als „Universität“ zu titulieren.
Im Kern lässt sich die Fragestellung des Projekts auf den Punkt bringen mit den Fragen: Was macht eine Institution zu einer Hochschule? Wer „definiert“, was eine Hochschule ausmacht? Was stellt den Kern einer Hochschule dar?
Als Ergebnis hält das CHE-Arbeitspapier „Auch das ist Hochschule?!“ von Lukas Bischof und Ulrich Müller fest: Ein zu restriktiv definiertes Hochschulverständnis behindert in Deutschland innovative Angebote, wenn sie nicht den Maßstäben einer forschungsorientierten Hochschule entsprechen. Länder und Wissenschaftsrat sollten daher aus Sicht des CHE eine allgemeine „Experimentierklausel“ vorsehen für Fälle, in denen ein begründetes gesellschaftliches Interesse am Betrieb einer bestimmten Hochschule belegt werden kann. Länder und Wissenschaftsrat sollten dabei Mindeststandards einer Hochschule outputorientiert definieren. Es erscheinen weniger Inputfaktoren wie etwa die Anzahl der Bücher in der Bibliothek oder die Quadratmeterzahl der Lehrgebäude wesentlich als die Frage, ob eine Institution die Hauptaufgaben einer Hochschule erfolgreich und qualitätsgesichert wahrnimmt. Nicht zuletzt sollten Länder und Wissenschaftsrat künftig einen „offenen Hochschulbegriff“ zugrunde legen. Er sollte den Anspruch an konstitutive akademische Qualität nicht aufgeben, aber das monolithische Leitmotiv der deutschen Universität klug erweitern.
Über die Grenzen des traditionellen Hochschulverständnisses - Plädoyer für einen "erweiterten Hochschulbegriff" 404.18 KB 1318 Downloads
Autoren: Müller, Ulrich; Bischof, Lukas: Über die Grenzen des traditionellen Hochschulverständnisses...„Auch das ist Hochschule?!“ - Neue Herausforderungen erfordern einen offenen Hochschulbegriff 440.51 KB 1989 Downloads
CHE-AP176: In Germany as well as worldwide, the ideal of the „World Class Research...Projektsteckbrief
- Titel: Auch das ist Hochschule?!
- Projektbeginn: 01.01.2012
- Projektende: 31.12.2014
- Projektleitung: Ulrich Müller
- Projektmitarbeiter: Jörg Dräger, Frank Ziegele