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Mit rund 64.000 nutzen so viele Menschen wie noch nie in Deutschland die Möglichkeit, über ihre berufliche Qualifikationen einen Studienplatz zu erhalten. Darunter sind zunehmend mehr Frauen. Zu diesem Ergebnis kommen aktuelle Berechnungen des CHE Centrum für Hochschulentwicklung. Die meisten Erstsemester ohne allgemeine Hochschul- und Fachhochschulreife schreiben sich anteilig in Hamburg, Thüringen und Bremen ein. Die Studienanfänger*innen sind dabei im Schnitt zehn Jahre älter als ihre Kommiliton*innen mit Abitur.

Immer mehr Personen nutzen in Deutschland den sogenannten „dritten Bildungsweg“. Hierbei ersetzen Berufsausbildung und -erfahrung ein fehlendes Abitur. Laut den neuesten Daten waren 2019 an deutschen Hochschulen rund 64.000 Studierende ohne Abitur eingeschrieben. Das entspricht einem Zuwachs um 1.750 Personen im Vergleich zum Vorjahr und einem Anteil von 2,2 Prozent an der gesamten Studierendenschaft.

Die Rekordwerte des Vorjahres bei den Studienanfänger*innen und Hochschulabsolvent*innen ohne Abitur wurden dagegen 2019 knapp verpasst. So liegt die Zahl der Erstsemester bei aktuell 14.700, was einem Anteil von 2,9 Prozent an allen Studienanfänger*innen entspricht. Die Zahl der Hochschulabsolvent*innen, die über den beruflichen Weg ins Studium gelangt sind, beträgt 8.500 und hat sich seit 2013 nahezu verdoppelt.

„Das Studium über den beruflichen Weg hat sich als Alternative zum klassischen Abitur in Deutschland etabliert. Damit steht die hochschulische Bildung sehr viel mehr Menschen offen als noch zu Beginn der 2000er Jahre“, erläutert Frank Ziegele. „Zudem zeigt der erneute Rekordwert bei den Studierenden ohne Abitur, dass die übliche Trennung zwischen akademischer und beruflicher Bildung für die heutigen Bildungsbiografien längst nicht mehr greift“, so der Geschäftsführer des CHE Centrum für Hochschulentwicklung.

Die Situation in den einzelnen Bundesländern ist allerdings immer noch sehr unterschiedlich. Beim Vergleich des jeweiligen Anteils der Studienanfänger*innen ohne Abitur an allen Erstsemestern führt aktuell Hamburg mit 5,3 Prozent, gefolgt von Thüringen und Bremen mit 4,9 bzw. 4,5 Prozent. Die Schlusslichter bilden Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg mit jeweils rund 1,4 Prozent und das Saarland mit einer Quote von 1,3 Prozent.

Ein deutlicher Aufwärtstrend ist dagegen in Brandenburg und Thüringen zu beobachten, die sich im Ländervergleich gegenüber dem Vorjahr um vier bzw. sogar sieben Plätze verbessern können. „Hauptgrund für den immensen Zuwachs in Thüringen ist die private IUBH Internationale Hochschule, die ihren Hauptstandort von Nordrhein-Westfalen nach Erfurt verlegt hat, sodass deren Anzahl an Studienanfängerinnen und -anfängern nun Thüringen zugerechnet werden“, erklärt Sigrun Nickel, Expertin für das Themenfeld „Studieren ohne Abitur“ beim CHE.

Die Hochschule mit den bundesweit meisten Erstsemestern ohne allgemeine Hochschul- oder Fachhochschulreife ist mit 1.400 Einschreibungen weiterhin die FernUniversität in Hagen. Insgesamt befinden sich in der Gruppe der zehn Hochschulen, die deutschlandweit beim Studium ohne Abitur am stärksten nachgefragt sind, acht private und zwei staatliche Einrichtungen. Dennoch findet sich der überwiegende Teil der Studierenden ohne Abitur mit 41.000 Einschreibungen weiterhin im staatlichen Hochschulbereich. Die privaten Hochschulen zählen aktuell rund 21.500 Studierende ohne Abitur und an den kirchlichen sind es rund 1.500.

Neben dem Ländervergleich analysiert das CHE auch jährlich die Zusammensetzung der Gruppe der Studierenden ohne allgemeine Hochschul- und Fachhochschulreife. „Durchschnittliche Studienanfänger bzw. Studienanfängerinnen ohne Abitur entscheiden sich für einen Bachelorstudiengang an einer Fachhochschule im Bereich Rechts-, Wirtschafts- oder Sozialwissenschaften und sind etwa 30 Jahre alt. Damit sind sie etwa zehn Jahren älter als ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen mit Abitur“, fasst Sigrun Nickel die aktuelle CHE Analyse der Daten zusammen.

Dabei entdecken zunehmend auch Frauen diesen Weg für sich. Dominierten 2015 noch die männlichen Erstsemester ohne Abitur, hat sich der Anteil weiblicher Erstsemester aktuell auf rund 49 Prozent gesteigert. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede bei der Fächerwahl. So schreiben sich beruflich qualifizierte Frauen deutlich häufiger in der Fächergruppe Medizin/ Gesundheitswissenschaften und Männer in der Fächergruppe Ingenieurwissenschaften ein.

Seit der Reform der Studienplatzvergabe für das Medizinstudium haben sich auch die Zugangsmöglichkeiten für Personen ohne Abitur verbessert. Hier hat sich der Zahl der Studierenden, die sich allein über ihre Berufserfahrung qualifiziert haben, zwischen 2014 und 2019 von 534 auf 1.064 fast verdoppelt. Davon studieren 850 Human- und 214 Zahnmedizin. Bei der Bewerbung für einen Studienplatz im Bereich Medizin ersetzt die Note der Meister- oder Fachwirtprüfung die Abiturnote.

Insgesamt entschieden sich 2019 zwei Drittel aller Studienanfänger*innen ohne Abitur für ein Studium an einer Fachhochschule bzw. Hochschule für angewandte Wissenschaften. 28 Prozent wählten eine Universität, vier Prozent eine Kunst- oder Musikhochschule. Bemerkenswert ist, dass die Tendenz, nach dem Bachelorabschluss ein Masterstudium anzuschließen, kontinuierlich zunimmt. Im Studienjahr 2019/20 befanden sich rund 12 Prozent aller Studierenden ohne Abitur im Bundesgebiet im einem Masterstudiengang. Im Studienjahr 2015/16 waren es dagegen nur rund sieben Prozent.

Generelle Voraussetzung für die Bewerbung um einen Studienplatz ohne allgemeine Hochschulreife und Fachhochschulreife ist eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie der Nachweis von Berufserfahrung. Je höher die im Beruf erworbene Qualifikation der Studieninteressierten ist, desto größer ist auch die Auswahl an Studiengängen, die studiert werden können.

Der Online-Studienführer:

Ausführliche weitergehende Informationen bietet der Online-Studienführer www.studieren-ohne-abitur.de. Dort finden sich viele aktuelle Zahlen, Daten und Fakten zur Entwicklung auf Bundes- und Länderebene. Datengrundlage sind Angaben des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2019. Studieninteressierte ohne hochschulische Zugangsberechtigung finden hier fundierte Informationen zu den Zugangsmöglichkeiten und den mehr als 8.000 Studienangeboten der Hochschulen. Zusätzlich bietet das Portal zahlreiche nützliche Informationen und Serviceangebote wie einen Qualifizierungs- und Beratungscheck.

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Sigrun Nickel

Leiterin Hochschulforschung

Tel.: +49 5241 9761-23
Fax: +49 5241 9761-40
E-Mail: Sigrun.Nickel@che.de

Assistenz:
Petra Bischof
Tel.: +49 5241 9761-42

Arbeitsschwerpunkte:
Forschungsprojekte zu Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung, Karrieren in der Wissenschaft sowie im Hochschulmanagement, Qualitätsentwicklung, Hochschulgovernance, Durchführung von Evaluationsverfahren, Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen im Bereich Hochschulmanagement

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