Der zunehmende Fachkräftemangel stellt Deutschland vor eine große Herausforderung. Ein wichtiger Ansatz besteht darin, die Übergänge in Ausbildung und Studium flexibler, durchlässiger und bedarfsgerechter zu gestalten. Eine gemeinsame Publikation der Bertelsmann Stiftung und des CHE Centrum für Hochschulentwicklung sieht bei der Politik eine Schlüsselrolle und bietet ihr fünf Handlungsempfehlungen.
Bildungsbiografien verlaufen heutzutage immer seltener linear – Lernende kombinieren immer öfter berufliche und akademische Bildung, um für die Zukunft relevante Kompetenzen zu entwickeln. Doch starre Strukturen im Bildungssystem verhindern bislang eine flächendeckend bedarfsgerechte und flexible Gestaltung der nachschulischen Bildung, wie etwa bei einem Wechsel von einem Studium in eine Ausbildung und umgekehrt.
Dies ist nicht nur ein Problem für die Betroffenen, sondern auch ein wirtschaftlicher Verlust für die gesamte Gesellschaft. Angesichts der Rekordzahlen junger Erwachsener ohne Berufsabschluss auf der einen Seite und unbesetzter Ausbildungsplätze auf der anderen Seite, mahnen die Autor*innen der Publikation dringende Veränderungen an.
„Es ist Zeit, dass Politik und Bildungsakteur*innen gemeinsam zukunftsfähige Rahmenbedingungen der nachschulischen Bildung schaffen“, betont Caroline Schnelle, Expertin der Bertelsmann Stiftung für berufliche Bildung. „Aktuell scheitern zu viele junge Menschen bereits beim Übergang von der Schule in die nachschulische Bildung.“
Handlungsbedarf seitens der Politik sehen die Autor*innen der Publikation an fünf zentralen Punkten:
- Berufliche Orientierung stärken: Die Vielzahl an Bildungsangeboten erfordert eine intensivere, individuelle Beratung für Bildungsinteressierte. Nur so können junge Menschen reflektierte Entscheidungen über berufliche und akademische Wege treffen.
- Übergänge erleichtern: Ein flächendeckender Kontaktaustausch zwischen Schulen und Arbeitsagenturen ist notwendig, um Jugendliche nach dem Schulabgang frühzeitig gemeinsam gezielt zu unterstützen.
- Neustart nach Abbrüchen erleichtern: Abbrechende in Studium und Ausbildung brauchen eine gute Begleitung und Beratung sowie attraktive alternative Angebote. Dazu zählen auch flexiblere Bildungsangebote wie Teilzeitstudiengänge und -ausbildungen, die an individuelle Lebensrealitäten anpassbar sind und Unterbrechungen aufgrund von Care-Arbeit oder gesundheitlichen Gründen erlauben.
- Durchlässigkeit fördern: Bereits erworbene Kompetenzen müssen zuverlässig dokumentiert und anrechenbar sein, um bei einem Wechsel zwischen akademischer und beruflicher Bildung Zeit- und Ressourcenverluste zu vermeiden.
- Faktenbasiert kommunizieren: Politisch Verantwortliche sollten, vor allem auf Social Media, unzutreffende Vereinfachungen und Schuldzuweisungen unterlassen und klare Perspektiven aufzeigen, wie sich akademische und berufliche Bildung kooperativ gestalten lassen.
„Es hängt jetzt wesentlich an den Politiker*innen in Bund und Ländern, ob das Verhältnis zwischen akademischer und beruflicher Bildung weiter von Konkurrenz oder endlich von Kooperation geprägt wird. Nur konstruktive Zusammenarbeit zwischen Ausbildung und Studium bringt Bildungsinteressierte und unser Land insgesamt weiter“, betont Ulrich Müller, Leiter politische Analysen beim CHE. „Dazu muss die Politik bundesweit eine Gesamtperspektive auf nachschulische Bildung etablieren und Brücken bauen, wo derzeit noch tiefe Gräben Übergänge erschweren. Die gute Nachricht ist: Positive Erfolgsbeispiele auf lokaler Ebene gibt es schon, an denen sich die Politik orientieren kann.“
Über die Veröffentlichung:
„Übergänge in Ausbildung und Studium – wie die Politik in Zeiten des Fachkräftemangels nachschulische Bildung gestalten muss“ ist eine gemeinsame Veröffentlichung der Bertelsmann Stiftung und des CHE Centrum für Hochschulentwicklung. Zuvor wurde im Herbst 2023 bereits die gemeinsame Publikation „Zehn Mythen rund um Ausbildung und Studium – Faktencheck nachschulische Bildung“ veröffentlicht.
Die Online-Veranstaltung CHEforum am 26. und 27. November 2024 zum Thema „Zukunft gestalten: Brücken zwischen akademischer und beruflicher Bildung“ geht zusätzlich auf die Inhalte der Publikation ein und zeigt Good Practice Beispiele.