Wie begleitet ein Hochschulrat die Hochschulleitung konstruktiv-
kritisch bei Bauvorhaben?

 
Frank Ziegele
(Geschäftsführer) und Ulrich Müller (Geschäftsleiter), Centrum für Hochschulentwicklung, gehen auf die wichtigen Fragestellungen und die verschiedenen Rollen des Hochschulrates ein.

Foto: David Ausserhofer

 

Sowohl bei großen Neubauprojekten als auch der grundlegenden Umgestaltung vorhandener Räumlichkeiten kann der Hochschulrat (bzw. das Kuratorium oder der Universitäts-/Stiftungsrat) wichtige Impulse geben. Wie kann ein Hochschulrat die Hochschulleitung bei Bauvorhaben bestmöglich begleiten?

Erster und wesentlichster Schritt ist es, seitens des Hochschulrats die eigene Rolle zu reflektieren. Was fällt klar in die Zuständigkeit des Hochschulrats, welche Aufgabenübernahme ist optional? Unter anderem folgende Rollen kann ein Hochschulrat im Zusammenhang mit Bauvorhaben einnehmen:

  • als Impulsgeber aus der Außenperspektive entsprechende Diskussion zum Thema Campusentwicklung anstoßen oder bereichern, also die (zumindest mehrheitlich) externe Perspektive des Hochschulrats in interne Entscheidungen transferieren
     
  • als Brücke in die Gesellschaft Bedarfe des Umfelds oder virulente gesellschaftspolitische Fragen aufgreifen sowie einerseits persönliche Netzwerke in die Hochschulweit einbringen, als auch andererseits extern als Botschafter der Hochschule auftreten
     
  • als Legitimationsinstanz der Hochschulleitung in schwierigen Prozessen Rückendeckung nach innen bzw. außen geben
     
  • im Bedarfsfall als Moderator zwischen widerstreitenden Interessen (etwa zwischen Kanzlerin bzw. Kanzler und Präsidentin bzw. Präsident oder zwischen Hochschulleitung und Wissenschaftsministerium oder Rechnungshof) vermitteln
     
  • als Hüter der Finanzen fungieren (Finanzaufsicht) und beim Risikomanagement an die Berücksichtigung akademischer Belange erinnern (etwa: Folgen für den Hochschulbetrieb, wenn der (Um-)Bau ins Stocken gerät ...)
     
  • last, but not least als Mahner der Strategieorientierung immer wieder den Link zwischen Hochschul-Strategie/-Profilierung und konkreter Bauplanung einfordern.

 
Diese Rollenklärung hängt ganz wesentlich von der im Hochschulgesetz des jeweiligen Landes verankerten Aufgabenstellung ab. Ein Stiftungsrat etwa hat traditionell meist umfangreichere Kompetenzen im Bereich Finanzaufsicht als ein Kuratorium, das eher als beratendes Gremium konzipiert ist. Wie in vielen anderen Themenbereichen gilt aber auch beim Thema Hochschulbau: Besteht ein vertrauensvolles, eingeübtes, konstruktiv-kritisches Verhältnis zwischen Hochschulleitung und Hochschulrat, wird der Hochschulrat nicht selten auch bei Fragen einbezogen, wo dies im Hochschulrecht nicht explizit vorgesehen ist.

Daneben ist bei der Frage, welche Rolle ein Hochschulrat einnehmen sollte, sehr entscheidend, in welcher Phase das Bauprojekt sich befindet.

  • Geht es zunächst nur um eine grobe Vorüberlegung, um ein "laut Denken", stehen vielleicht eher die Visionsentwicklung und Zieldefinition im Fokus, also die strategische Perspektive des Hochschulrates – und der Hochschulrat kann sich beteiligen bei der Analyse von Hochschulentwicklungsplänen, Studierendenprognosen, Trends im Hochschulsektor, Entwicklungsszenarien, der Konkurrenzsituation ... kurz: der Vergewisserung der Hochschulstrategie und -profilierung.
     
  • Befindet sich das Projekt bereits in der konkreten Planung und Kalkulation, steht – abhängig von der Kompetenzzuweisung – eher der kritische Blick auf die Bedarfsermittlung und Kostenabschätzung im Vordergrund und/oder der Blick über den Tellerrand oder die Identifikation inspirierender Vorbilder. Nicht zuletzt sollte ein Hochschulrat, falls nötig, darauf dringen, dass Neu- und Umbauten möglichst flexibel bleiben für spätere ggf. abweichende Anforderungen.
     
  • In der Bauphase selbst ist es – wiederum in Abhängigkeit von der konkreten Aufgabenzuweisung – Hauptaufgabe eines Hochschulrats, Kosten und Zeitplanung mit im Blick zu behalten.

 
Nicht zuletzt macht es einen großen Unterschied, ob die Hochschule selbst als Bauherr agiert oder ob die Realisierung einem Landesbetrieb (etwa dem BLB in Nordrhein-Westfalen) obliegt.

Bei jeder der beschriebenen Rollen ist es ganz entscheidend, die Eindringtiefe/Flughöhe klug zu gestalten, sich also als Hochschulrat so einzubringen, dass die hochschulinterne Gewaltenteilung gewahrt bleibt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist es eben nicht die Aufgabe des Hochschulrats, sich aktiv bei den Planungen einzubringen und ein Bau-Konzept aktiv (mit) zu entwickeln und zu gestalten, sondern eher als Sparringspartner Feedback zu geben und Anregungen einzuspeisen. Konkret: In den Hochschulrat gehört natürlich eine Diskussion zu den Auswirkungen der übergreifenden Lehrstrategie auf die Raumkonzeption, nicht jedoch eine Diskussion über Stuhlmodelle, Bodenbeläge oder die Platzierung der Beamer.

Wie in fast allen Themenbereichen besteht eine der elementaren Funktionen des Hochschulrats auch beim Hochschulbau und bei der Campusentwicklung darin, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Fragen zu stellen. Auf diese Weise kann er insbesondere immer wieder die Koppelung von Hochschulbau und -strategie anmahnen.
 

Strategische Diskussionen docken beim Thema Hochschulbau erfahrungsgemäß vor allem bei vier Fragestellungen an:

  • Welche Ziele sollen in Bezug auf die Lehre unterstützt und verwirklicht werden? Wenn eine bestimmte Vorstellung von Lehrqualität/-kultur (etwa: forschungsbasierte Lehre, blended learning, flipped classroom) oder von Interdisziplinarität besteht und hohe profilbezogene Priorität hat, muss diese Vorstellung in die Planung einfließen und diese prägen. Wenn beim flipped classroom beispielsweise klassische Vorlesungen weitgehend online erfolgen, braucht man auf dem Campus interaktive Gruppenräume statt traditionelle Hörsäle mit Stuhlreihen.
     
  • Welche Aktivitäten im Bereich regionales Engagement sollen im fertigen Bau umgesetzt werden? Je nachdem, ob es um die Belebung der Innenstadt, die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Innovationsökosysteme/Start-ups oder um das Auffangen des Strukturwandels geht, führt die Prioritätensetzung zu unterschiedlichen Umsetzungserfordernissen bei der Campusentwicklung.
     
  • Gibt es prägende Elemente interner Kultur, die auch "in Beton" Gestalt gewinnen sollen? Möglicherweise wird die institutionelle Identität stark durch ein zentrales Campusleben geprägt. Oder der Standort wird vor allem als sozialer Ort begriffen oder als Umfeld, in dem ein bestimmter Habitus entwickelt werden soll. Auch die Frage, welche Rolle New Work zukommen soll, spielt hier mit hinein. Und wenn Interdisziplinarität gelebt werden soll, braucht es einen Ort, wo sich die Fächer begegnen können.
     
  • In welchen Feldern möchte die Hochschule gesellschaftliche Verantwortung übernehmen? Wenn etwa Nachhaltigkeit ein zentrales Kernprofilelement darstellt, muss sich das auch in den verwendeten Materialien zeigen. Wenn Third Mission, citizen science und Offenheit zur Gesellschaft als bedeutsam eingeschätzt werden, hat das Folgen für die (Um)Bauplanung, die bedacht werden wollen.

 
Ob die Mitwirkung und Begleitung durch den Hochschulrat seitens der Hochschule als hilfreich wahrgenommen wird, hängt selbstverständlich auch davon ab, ob die zur Wahrnehmung der jeweiligen Rolle nötige Expertise im Hochschulrat vertreten ist. Dies betrifft insbesondere die zur Finanzaufsicht unabdingbare Kompetenz. Im Zweifelsfall muss ein Hochschulrat auf eine partielle Nach-/Neubesetzung im Hochschulrat hinwirken oder externe Expertise hinzuziehen, wenn große Bauprojekte anstehen.

Je stärker die Aufgabenstellung des Hochschulrats in Richtung "Aufsicht" tendiert, desto mehr ist es für den Hochschulrat auch nötig, ein kontinuierliches Berichtswesen aufzubauen bzw. der Hochschulleitung abzufordern. In festen Zyklen sollten dem Hochschulrat klar definierte Unterlagen vorgelegt werden – aussagekräftig, aber auf hinreichend kondensierter Ebene. Regelmäßig sollte entsprechend der TOP "Hochschulbau" auf der Tagesordnung eingeplant werden und Thema im Hochschulrat sein.