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1 Einleitung

Die richtige Ausgestaltung des Hochschulzugangs ist in Deutschland spätestens seit den 1960er Jahren immer wieder ein viel diskutiertes Thema. Initiiert durch verschiedene Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, aber auch durch eine im Jahr 2004 veröffentlichte Empfehlung des deutschen Wissenschaftsrates (Wissenschaftsrat 2004), hat es immer wieder grundlegende Änderungen gegeben. Der vorliegende Beitrag stellt den aktuellen Stand des Systems des Hochschulzugangs in Deutschland dar. Zunächst werden verschiedene Rahmenbedingungen beschrieben – das deutsche Hochschulsystem, die Anzahl der Studierenden und Studienberechtigten – sowie kurz auf das deutsche Schulsystem eingegangen. Anschließend wird vorgestellt, wie die Zulassung zum Studium in Deutschland geregelt ist. Für rund 40 % der in Deutschland angebotenen Studiengänge gibt es Zulassungsbeschränkungen und die Hochschulen müssen nach bestimmten Kriterien entscheiden, welche Bewerber den jeweiligen Studienplatz bekommen. Die dafür zulässigen Kriterien werden im Kapitel „Studierendenauswahl“ vorgestellt. Der Beitrag schließt mit einer Bewertung des Hochschulzugangs in Deutschland und zeigt, dass es trotz vieler positiver Aspekte weiterhin Herausforderungen gibt, die angegangen werden müssen.

2 Rahmenbedingungen

2.1 Das deutsche Hochschulsystem im Überblick

Zum Wintersemester 2020/21 umfasste das deutsche Hochschulsystem 422 Hochschulen, von denen 210 Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) waren. Die zweitgrößte Gruppe von Hochschulen sind Universitäten (108 Institutionen), weiterhin gibt es in Deutschland Kunsthochschulen, Verwaltungsfachhochschulen, Theologische Hochschulen und Pädagogische Hochschulen mit jeweils eingeschränktem Fächerspektrum (Statistisches Bundesamt 2021a).

Während bei den Universitäten die Forschung, insbesondere die Grundlagenforschung, stärker im Fokus steht, steht an den HAW die Lehre in anwendungsorientierten Studiengängen wie Betriebswirtschaftslehre, Ingenieurwissenschaften, Soziale Arbeit und in letzter Zeit zunehmend Gesundheitsberufen wie Pflege oder Hebammenkunde im Vordergrund. HAW führen jedoch zunehmend auch anwendungsorientierte Forschung durch. Weiterhin existieren Berufsakademien, an denen Bachelorabschlüsse im sogenannten Dualen Studium erworben werden können, die aber rechtlich gesehen keine Hochschulen sind. Die meisten deutschen Hochschulen befinden sich in staatlicher Trägerschaft, zum Wintersemester 2020/21 waren 89 HAW und 20 Universitäten in privater Trägerschaft (Statistisches Bundesamt 2021b).

Wie in ganz Europa ist in Deutschland das gestufte Studiensystem (Bologna-System) eingeführt worden. Dieses besteht aus einem drei- bis vierjährigen Bachelorstudium, gefolgt von einem ein- bis zweijährigen Masterstudium und gegebenenfalls noch gefolgt von einer Promotion, die mit wenigen Ausnahmen nur an einer Universität erfolgen kann. In einigen Ausnahmefällen, wie Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin, Pharmazie und Jura, gibt es Studiengänge mit Staatsexamen-Abschlüssen, die z. B. im Fach Medizin in der Regel nach elf Semestern erfolgen.

2.2 Studierende und Studienberechtigte

Im Wintersemester 2020/21 studierten in Deutschland knapp 3 Mio. Menschen, davon mehr als die Hälfte (1,75 Mio.) an einer Universität und rund 1,07 Mio. an einer HAW (Statistisches Bundesamt 2021f). Auf private Hochschulen entfielen davon rund 269.000 Studierende, davon 238.000 auf private HAW (Statistisches Bundesamt 2021e).

Im Studienjahr 2020/21 begannen rund 490.000 Studierende ein erstes Studium (erstes Hochschulsemester) (Statistisches Bundesamt 2021c). Rund 863.000 Personen schrieben sich neu in das erste Fachsemester eines grundständigen oder weiterführenden Studiengangs ein (Statistisches Bundesamt 2021d), während im Prüfungsjahr 2020 nur knapp 477.000 Abschlussprüfungen abgelegt wurden (Statistisches Bundesamt 2021g). Dies deutet bereits auf einen erheblichen Teil von Studienabbrüchen bzw. Fachwechseln hin, auf die weiter unten noch näher eingegangen wird.

Die Studienberechtigtenquote, der Anteil eines Altersjahrgangs also, der im Laufe seines Lebens die schulische Hochschulzugangsberechtigung erwirbt, lag in Deutschland im Jahr 2019 bei 50,6 % (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020). Die Studienanfängerquote, also der Anteil der Studienanfänger an der Bevölkerung des jeweiligen Geburtsjahres, lag 2020 bei 54,8 % (Statista 2020). Über die Hälfte eines Altersjahrgangs nimmt also im Laufe seines Lebens ein Studium auf. Die Akademiker, also der Anteil der Bevölkerung, der einen Hochschulabschluss besitzt, ist in Deutschland im OECD-Vergleich niedrig: Im Jahr 2019 lag er bei 33,3 % bei den 25–34-Jährigen, im OECD-Schnitt bei 44,9 %. In den Vereinigten Staaten, im UK oder in der Schweiz liegt er jeweils über 50 % (OECD 2021).

Anders als beispielsweise in den USA existiert in Deutschland allerdings ein System der dualen Berufsausbildung, in dem die tertiäre Bildung im Wechsel zwischen Betrieb und Berufsschule stattfindet. Der höchste Abschluss in diesem Berufsbildungssystem, der Meisterbrief, entspricht dem Niveau 6 des Europäischen Qualifikationsrahmens, dem auch der Bachelorgrad entspricht (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2014).

2.3 Schulsystem

Zum Verständnis des Hochschulzugangs ist auch ein kurzer Überblick über das Schulsystem in Deutschland hilfreich. Die Schulen liegen in der Verantwortung der 16 deutschen Bundesländer, daher gibt es zwischen diesen leichte Unterschiede.

Nach einer vier- bis sechsjährigen Grundschule besuchen die Schülerinnen und Schüler entweder die Hauptschule, die Realschule, ein Gymnasium oder eine Gesamtschule. Nur auf dem Gymnasium und auf der Gesamtschule kann nach 12 oder 13 Jahren Schulzeit ein Schulabschluss (das sogenannte Abitur) erreicht werden, der direkt für den Besuch einer Hochschule qualifiziert. Es gibt aber eine gewisse Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Schulformen: Schüler der Hauptschule können bei guten Leistungen auf die Realschule wechseln und Schüler der Realschule mit einem guten Abschluss nach dem 10. Schuljahr auf das Gymnasium. Schülerinnen und Schüler, die das Abitur nicht erreichen oder trotz Abitur zunächst nicht studieren möchten, können eine duale Berufsausbildung machen. In verschiedenen Bundesländern ist es auch möglich, das Abitur an einem Berufskolleg zu erwerben.

3 Zulassungssystem

3.1 Rechtliche Grundlagen

Nach Artikel 12 des deutschen Grundgesetzes haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Das Grundgesetz gilt für den deutschen Staat und staatliche Organisationen. Besonders in bestimmten Studiengängen, wie z. B. Medizin, hat der Staat ein Monopol als Anbieter von Studienplätzen und damit auch auf den Zugang beispielsweise zum Arztberuf. Das Bundesverfassungsgericht hat in verschiedenen Urteilen daraus abgeleitet, dass der Zugang zu hochschulischer Bildung so frei wie möglich sein muss. Die Freiheit der Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte, hier also der Hochschule, darf nur im begründeten Ausnahmefall und nur aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.

Eine Einschränkung ist, dass für ein Studium eine ausreichende Qualifikation nachgewiesen werden muss. Diese wird in der Regel mit dem erfolgreichen Abschluss des Gymnasiums bzw. einem gymnasialen Abschluss auf einer Gesamt- oder Berufsschule nachgewiesen. Mit dem Schulabschluss erwirbt man das „Abitur“, die Allgemeine Hochschulreife, die die Zugangsberechtigung zu beinahe sämtlichen Studienfächern darstellt. Ausgenommen davon sind künstlerische Fächer (z. B. bildende Kunst oder Musik) oder auch das Fach Sport, für die man zusätzliche Aspekte der Eignung nachweisen muss, die über das Abitur hinaus gehen.

Mittlerweile ist es in Deutschland möglich, auch ohne Abitur zu studieren. In künstlerischen Fächern kann man sich beispielsweise durch den Nachweis einer „besonderen künstlerische Eignung“ (z. B. im Fach Musik) für ein Studium qualifizieren. Personen mit einer abgeschlossenen dualen Berufsausbildung und Berufserfahrung können über eine Zulassungsprüfung oder ein Probestudium an einer bestimmten Hochschule in bestimmten Fächern zum Studium zugelassen werden. Durch eine sogenannte Begabtenprüfung, die das Abitur ersetzt, kann man eine uneingeschränkte Hochschulreife nachweisen. Ebenfalls uneingeschränkten Zugang zu allen Studienfächern bekommen Personen mit einer bestandenen Meisterprüfung oder einem vergleichbaren Abschluss einer Aufstiegsfortbildung nach der eigentlichen Berufsausbildung (CHE Centrum für Hochschulentwicklung 2021).

3.2 Numerus Clausus

Der deutsche Staat ist jedoch nicht verpflichtet, in jedem Studienfach und insbesondere nicht an jeder einzelnen Hochschule eine für alle Bewerber ausreichende Anzahl von Plätzen bereitzuhalten. In früheren Rechtsprechungen des Bundesverfassungsgerichtes wurde noch darauf Wert gelegt, dass jeder irgendwann in seinem Wunsch-Studienfach eine Zulassungschance haben sollte. Dies wurde dadurch sichergestellt, dass ein Teil der Plätze jeweils an die Bewerber*innen verteilt wurde, die am längsten auf eine Zulassung gewartet hatten. In der jüngsten Rechtsprechung wurde dies durch das Prinzip der „gleichberechtigten Teilhabe“ und das Prinzip der Qualifikation als einziges Entscheidungskriterium ersetzt: Eine Wartezeitquote sei nicht notwendig, sondern die Plätze sollten diejenigen erhalten, die für das Studium bzw. den späteren Beruf am besten qualifiziert seien (Bundesverfassungsgericht 2017).

Die aus Kapazitäts- bzw. Kostengründen notwendige Einschränkung der Anzahl der Studienplätze im jeweiligen Fach an einzelnen Hochschulen bei einer gleichzeitig höheren Zahl von Bewerbungen führt zu einer Zulassungsbeschränkung, einem Numerus Clausus (NC). Staatliche Hochschulen können eine solche Zulassungsbeschränkung beim zuständigen Landesministerium beantragen, wenn die Anzahl der Bewerbungen bzw. Studierenden dauerhaft die Ausbildungskapazitäten übersteigt. Da der Staat, wie oben ausgeführt, verpflichtet ist, so viele Studienplätze wie möglich anzubieten, wird die Anzahl der Studienplätze auf den größtmöglichen Wert festgelegt.

Zum Wintersemester 2021/22 waren in Deutschland rund 40 % der Studiengänge zulassungsbeschränkt, an HAW knapp 42 % und an Universitäten 37,5 %. Bachelorstudiengänge (41,6 %) sind etwas häufiger zulassungsbeschränkt als Masterstudiengänge (38,7 %) (Hachmeister et al. 2021).

Es gibt jedoch große Unterschiede zwischen den Fächern. Die Fächer Medizin, Zahnmedizin, Pharmazie, Tiermedizin und auch Psychologie sind an allen staatlichen Hochschulen in Deutschland zulassungsbeschränkt. In allen anderen Fächern gibt es sowohl zulassungsbeschränkte als auch nicht beschränkte Angebote. Insgesamt gesehen sind in den Rechts-, Wirtschafts-, Gesellschafts- und Sozialwissenschaften 49 % der Studienangebote zulassungsbeschränkt, in Mathematik und Naturwissenschaften 37 %, in den Ingenieurwissenschaften 34 % und in den Sprach- und Kulturwissenschaften 27 % (Tab. 1).

Tab. 1 Anteil zulassungsbeschränkter Studienangebote in Deutschland im Wintersemester 2021/22 (Quelle: Hachmeister et al. 2021)

Darüber hinaus gibt es starke regionale Unterschiede: In den Großstädten Hamburg und Berlin sind 65 % der Studiengänge mit einem Numerus Clausus belegt. Im ländlich geprägten Bundesland Mecklenburg-Vorpommern dagegen nur 20 %. Auch in anderen Großstäten wie München und Köln sind über die Hälfte der Studienangebote zulassungsbeschränkt, während in anderen Hochschulstädten weniger als zehn Prozent der Studiengänge einen NC haben.

Studieninteressierte, die keines der deutschlandweit zulassungsbeschränkten Fächer studieren wollen, finden also durchaus Studienplätze im Wunsch-Fach, wenn auch nicht unbedingt in einer bei Studierenden besonders beliebten Großstadt.

4 Zulassungsverfahren

Das Zulassungsverfahren, also der Prozess, wie man einen Studienplatz erhält, unterscheidet sich zwischen zulassungsbeschränkten Studiengängen und Studiengängen ohne Zulassungsbeschränkung, sogenannten zulassungsfreien Studienangeboten. Ist ein Studienangebot an einer Hochschule zulassungsfrei, so kann man sich innerhalb einer bestimmten Frist direkt an der Hochschule für den Studiengang einschreiben, sofern man das Abitur oder eine andere Qualifikation für das Studium nachweisen kann.

Ist ein Studiengang zulassungsbeschränkt, muss man sich um einen Platz bewerben, in den meisten Fällen direkt bei der Hochschule. Die Hochschule wählt dann nach verschiedenen Kriterien die Personen, die zum Studium zugelassen werden aus und schickt ein Zulassungsangebot, mit dem sich die Bewerberin oder der Bewerber bei der Hochschule einschreiben kann. Wird das Angebot nicht angenommen, rücken weitere Bewerber nach und bekommen ebenfalls ein Angebot. Das Ziel ist, möglichst alle Studienplätze zu vergeben. Da sich die Studieninteressierten insbesondere in zulassungsbeschränkten Fächern häufig an mehreren Hochschulen bewerben, ist dieser Prozess aufwendig und nicht gut planbar. Es kann passieren, dass eine Hochschule trotz vieler Bewerbungen am Ende nicht alle Studienplätze belegen kann, ebenso kann es vorkommen, dass Bewerber erst kurz vor Studienbeginn eine Zusage für einen Studienplatz bekommen.

Für die in ganz Deutschland zulassungsbeschränkten Studienfächer Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin und Pharmazie wird daher ein anderes Verfahren angewendet. Die Studieninteressierten bewerben sich für diese Fächer auf der zentralen Internet-Plattform hochschulstart.de der Stiftung für Hochschulzulassung (Stiftung für Hochschulzulassung 2021). Dort werden die Bewerbungen gesammelt und geprüft und später auch die Zusagen (online) verschickt. Die Bewerber wählen und priorisieren ihre Hochschul- und Studienfachwünsche und erhalten Zulassungsangebote direkt über die Plattform. Sie können ihre Angebote sofort annehmen oder ablehnen, womit eine andere Person sofort ein Zulassungsangebot bekommt. Dieser Service zur Administration und Koordination der Bewerbungen kann von den Hochschulen auch für andere Fächer genutzt werden, allerdings werden derzeit (2021) von den über 20.000 Studienangeboten in Deutschland nur Plätze für rund 1.800 Studienangebote über hochschulstart.de vergeben.

Ausländische Studienbewerber aus EU-Staaten können sich ebenfalls über hochschulstart.de bewerben, für nicht-EU-Ausländer gibt es mit Uni-Assist eine eigene Plattform, welche die Bewerbungen internationaler Studienbewerber und unter anderem deren Schulzeugnisse prüft (uni-assist e. V. 2021).

5 Studierendenauswahl

Wie oben beschrieben kann und muss eine Hochschule nur in dem Fall, dass es eine Zulassungsbeschränkung gibt, zwischen den Bewerbern auswählen. Dafür, wie die Auswahl erfolgen darf und welche Kriterien dafür verwendet werden dürfen, gibt es gesetzliche Vorgaben.

5.1 Zulässige Auswahlkriterien

Im Folgenden werden die zentralen, an staatlichen Hochschulen zulässigen Auswahlkriterien vorgestellt. In künstlerischen Fächern können noch weitere Kriterien wie Vorspiele oder Mappen zur Auswahl herangezogen werden.

Ein zentrales Kriterium für die Vergabe von Studienplätzen – und lange Zeit neben der Wartezeit auf einen Studienplatz das einzige – ist die Durchschnittsnote des Abiturs, also des zum Studium qualifizierenden Schulabschlusses. Darüber hinaus dürfen Einzelfachnoten in relevanten Fächern für die Auswahl verwendet werden, z. B. die Mathematiknote für ein ingenieurwissenschaftliches Studium oder die Note in Englisch für ein Studium der Anglistik.

Besonders in den deutschlandweit zulassungsbeschränkten Fächern sind die Ergebnisse fachspezifischer Studierfähigkeitstests ein weiteres wichtiges Auswahlkriterium. Der in Deutschland prominenteste Test ist der Test für Medizinische Studiengänge (TMS), der verschiedene kognitive Fähigkeiten prüft, die für ein medizinisches Studium wichtig sind. Darunter sind z. B. medizinisch-naturwissenschaftliches Grundverständnis, das Lesen von Diagrammen und Tabellen und die Fähigkeit, sich Fakten und auch Figuren über einen bestimmten Zeitraum zu merken (Test für Medizinische Studiengänge 2021). Allgemeine Studierfähigkeitstests, wie z. B. der in den USA verwendete Scholastic Aptitude Test (SAT), sind an staatlichen Hochschulen in Deutschland dagegen nicht für die Auswahl von Studierenden zugelassen.

Auch eine Berufsausbildung bzw. das Ausmaß der Erfahrung in studienfachnahen Berufen kann für die Auswahlentscheidung herangezogen werden. Im Fach Maschinenbau könnte dies z. B. eine Berufsausbildung als Schlosser, im Fach Architektur als Tischler oder Technischer Zeichner sein. Auch gutes Abschneiden in bundesweiten Nachwuchs-Wettbewerben (z. B. „Jugend Forscht“) kann von den Hochschulen als „Bonuspunkt“ für die Studienbewerbung gezählt werden.

Auch das Ergebnis eines Auswahlgesprächs kann für die Auswahlentscheidung herangezogen werden. Da die Gespräche aber mindestens eine halbe Stunde dauern, strukturiert sein, von mindestens zwei Personen durchgeführt und auch während des Sommers veranstaltet werden müssen, nutzen insbesondere staatliche Hochschulen diese Möglichkeit eher selten. An privaten Hochschulen werden Gespräche dagegen recht häufig eingesetzt – nicht zuletzt, um die Bewerber von der eigenen Hochschule zu überzeugen.

5.2 Kombination der Auswahlkriterien

In den allermeisten Fällen müssen staatliche Hochschulen mehrere der oben beschriebenen Kriterien bei der Auswahl miteinander kombinieren. Die Durchschnittsnote des Abiturs ist dabei praktisch immer zu berücksichtigen.

Für die deutschlandweit zulassungsbeschränkten Studienfächer (Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin, Pharmazie) gibt es sogar ein vorgegebenes Quotenmodell:

  • Dreißig Prozent der Studienplätze werden an die Bewerber mit den besten Abiturnoten vergeben. Um die Bewerber aus den verschiedenen Bundesländern (mit leicht unterschiedlichen Schulsystemen) vergleichbar zu machen, werden die Listenpositionen innerhalb des jeweiligen Bundeslandes in Prozentränge umgewandelt und diese Prozentränge dann deutschlandweit miteinander verglichen. Wer in einem Bundesland beispielweise zu den 10 % der Besten gehört, wird deutschlandweit dann ebenfalls unter den 10 % der Besten einsortiert.

  • Im Rahmen der Zusätzlichen Eignungsquote (ZEQ) werden dagegen 10 % der Studienplätze nur nach notenunabhängigen Kriterien wie z. B. dem Ergebnis eines fachspezifischen Studieneignungstests, dem Ergebnis eines Auswahlgesprächs oder aufgrund vorheriger Berufstätigkeit vergeben. Die einzelnen Hochschulen dürfen dabei die Kriterien und deren Gewichtung selbst festlegen.

  • Die restlichen 60 % der Plätze können wiederum von den Hochschulen nach selbst gewählten (zulässigen) Kriterien vergeben werden, hier muss aber zwingend die Durchschnittsnote des Abiturs und auch zwingend ein schulnotenunabhängiges Kriterium mit verwendet werden.

Der Hintergedanke dieses Modells ist, den Bewerbern auf möglichst vielfältige Weise Chancen auf einen Studienplatz einzuräumen und dabei verschiedene Arten und Wege der Qualifikation für ein Studium zu berücksichtigen.

5.3 Besonderheiten bei privaten Hochschulen und im dualen Studium

Für private Hochschulen gilt die Besonderheit, dass diese nicht an die oben genannten, gesetzlichen Vorgaben für die Auswahl von Studierenden gebunden sind. Sie können eigene Auswahlkriterien und Auswahlverfahren festlegen, zum Beispiel bewertete Gruppenarbeiten im Rahmen von Auswahltagen. Auch sind private Hochschulen nicht gezwungen, ihre Studienkapazitäten erschöpfend zu nutzen. Sie müssen also trotz freier Plätze nicht jeden nehmen, auch wenn sie natürlich ein finanzielles Interesse haben, die von ihnen angebotenen Studienplätze auch zu vergeben. Besonders renommierte private Hochschulen haben jedoch auch ein Interesse daran, nur geeignete Bewerber aufzunehmen, um deren Studienerfolg auch sicherzustellen und die Qualität ihrer Absolventen auf einem hohen Niveau zu halten.

Auch das duale Studium, also eine vertraglich vereinbarte Kombination aus Studium und einer Ausbildung oder Berufstätigkeit in einem Unternehmen, stellt einen Sonderfall bei der Studierendenauswahl dar. Die Auswahl der Bewerber trifft im Wesentlichen das Unternehmen, denn nur wer einen entsprechenden Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag mit einem Unternehmen schließt, kann dual studieren. In den meisten Fällen gibt es auf der Seite der Hochschulen dagegen keine zahlenmäßigen Zulassungsbeschränkungen.

5.4 Information, Selbst-Selektion, Self-Assessment, Studieneingangsphase

Damit Studieninteressierte die passenden Studienfächer bzw. die für sie passenden Hochschulen aussuchen, ist die Information und Selbst-Selektion der Studieninteressierten ein wichtiger Faktor. Wie oben dargestellt, können Hochschulen nur in 40 % der Fälle überhaupt unter den Bewerbern auswählen und auf diesem Wege Einfluss auf die Passung von Studierendem und Studiengang nehmen.

Eine entsprechende Information über die Studienangebote seitens der Hochschulen ist daher unerlässlich. Dazu gehören zum Beispiel der Aufbau und die Inhalte des Studiums, die späteren Berufsmöglichkeiten und Angaben zu notwendigen Fähigkeiten und Interessen, die man als Studieninteressierter mitbringen sollte. Die Webseiten der Hochschulen sind dabei die zentrale Informationsquelle für die Studieninteressierten. Viele Hochschulen stellen mittlerweile auch Image-Filme über die Hochschule oder zu einzelnen Studiengängen zur Verfügung und lassen darin z. B. Studierende oder auch Professoren zu Wort kommen. Damit wird die Selbst-Selektion der Studienbewerber angeregt, die Interessierten können auf Basis dieser Informationen selbst entscheiden, ob das Studienangebot und die Hochschule für sie passend sind oder nicht.

Eine andere Methode zur Selbstreflexion bzw. Selbst-Selektion sind sogenannte „Self-Assessments“. Dabei handelt es sich um meist online angebotene Tests, die Vorwissen, bestimmte Fähigkeiten, aber auch Interessen und Einstellungen messen. Diese Tests können zum einen der allgemeinen Orientierung dienen und den Testteilnehmern eine Rückmeldung geben, für welche Studienfächer sie am ehesten geeignet sind. Zum anderen können Self-Assessments auch die Eignung für ein bestimmtes Fach, z. B. Psychologie, abschätzen und den Testteilnehmern dann eine Rückmeldung zum Grad der Eignung für das bestimmte Fach bzw. zu Stärken und Schwächen geben.

Das Besondere an Self-Assessments ist, dass sie nicht der Auswahl der Studierenden durch die Hochschule dienen – die Hochschule erfährt die Ergebnisse nicht – sondern einzig der Selbstreflexion. Gleichwohl können Hochschulen die Teilnahme an einem solchen Testverfahren obligatorisch machen, z. B. indem man für die Bewerbung die Teilnahme an einem solchen Verfahren nachweisen muss, oder das Verfahren gleich in den Online-Bewerbungsprozess mit einbaut.

Laut dem CHECK Hochschulzugang und Studieneingang in Deutschland des CHE von 2021 (Berghoff et al. 2021) setzen 40 % der Fachbereiche an deutschen Hochschulen ein hochschuleigenes, obligatorisches oder freiwilliges Self-Assessment ein. Fachbereiche an Universitäten (45 %) tun dies noch etwas häufiger als Fachbereiche an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (35 %).

5.5 Eignung der Auswahlkriterien

Doch wie gut sind die bei der Vergabe verwendeten Kriterien geeignet, den Studienerfolg vorherzusagen? Inwieweit lässt sich Studienerfolg überhaupt vorhersagen? Dieser Frage wurde 2007 an der Universität Hohenheim in einer umfassenden internationalen Metaanalyse nachgegangen (Hell et al. 2008). In den meisten in die Analyse einbezogenen Studien waren Noten und nicht der erfolgreiche Studienabschluss das Kriterium, das vorhergesagt werden sollte. Berechnet wurden (korrigierte) Validitätskoeffizienten, also der statistische Zusammenhang zwischen den Ergebnissen beim Prädiktor (z. B. Schulnoten) und beim Kriterium (z. B. Noten im Studium). Der Koeffizient r kann dabei Werte zwischen r = 0 (kein Zusammenhang) und r = 1 (perfekter Zusammenhang) annehmen.

Schulnoten hatten die höchste Vorhersagevalidität (r = ,46), dicht gefolgt von fachspezifischen und allgemeinen Studierfähigkeitstests (jeweils r = ,43). Auch Sprachtests (r = ,28) und Essays (r = ,29) zeigten eine gewisse Validität, Interviews, selbst strukturierte, nur eine sehr geringe (r = ,17). Studienfachaffine Einzelnoten wiesen im Durchschnitt eine Validität von r = ,31 auf, speziell die Mathematiknote r = ,27 und die jeweilige Landessprache r = ,22. Das Quadrat der oben genannten Koeffizienten entspricht dem prozentualen Anteil der Unterschiede zwischen den Bewerbern im Kriterium (z. B. dem Studienerfolg), der mit dem Prädiktor erklärt bzw. vorhergesagt werden kann. Schulnoten (r = ,46) erklären demnach rund 21 % des Studienerfolgs, Interviews (r = ,17) nur knapp drei Prozent. Diese Ergebnisse stützen die in Deutschland geltende Vorgabe, bei der Studierendenauswahl die Abiturdurchschnittsnote als maßgebliches Kriterium zu verwenden. Ein weiterer Vorteil der Note ist deren allgemeine Verfügbarkeit.

Auch das Ergebnis eines fachspezifischen Studierfähigkeitstests, wie beispielsweise des in Deutschland und auch in der Schweiz verwendeten Tests für Medizinische Studiengänge (TMS), sollte nach Möglichkeit als weiteres Kriterium verwendet werden. Ein wesentlicher Nachteil solcher Tests ist jedoch der Aufwand der Erstellung, Weiterentwicklung und der Testabnahme. Dieser ist nur bei einem starken Bewerber*innenüberhang und der damit verbundenen starken Selektion gerechtfertigt.

In Bezug auf Auswahlgespräche, die insbesondere an privaten Hochschulen eine größere Rolle spielen, legen die Studienergebnisse eine niedrige Gewichtung dieses Auswahlkriteriums nahe und nicht die Erwartung, dass man damit die Leistungsfähigkeit der Bewerber vorhersagen kann. Sie dienen eher dem gegenseitigen Kennenlernen („Bindung“) und der Klärung von Entscheidungsunsicherheiten. Gerade bei hohen Bewerberzahlen kann der Zeitaufwand leicht den Nutzen übersteigen, weshalb staatliche Hochschulen in Deutschland dieses Instrument nur sehr selten einsetzen.

Unter dem Aspekt von höherer Entscheidungssicherheit sollte auch einschlägige berufliche Vorerfahrung (z. B. als Rettungssanitäter oder Krankenpfleger für ein Medizinstudium) als Auswahlkriterium gewertet werden. Natürlich wurden im Rahmen der Berufsausbildung auch schon entsprechende fachliche Fähigkeiten erworben, aber ebenso wichtig ist, dass man dadurch Kenntnisse über das spätere Berufsfeld und seine eigene „Passung“ für den Beruf abschätzen kann.

Trotz vergleichsweise hoher prognostischer Validität (r = ,43, also 18 % Varianzaufklärung) ist die Verwendung allgemeiner Studierfähigkeitstests, wie z. B. der in den USA seit fast 100 Jahren verwendete „Scholastic Assessment Test“, für die Vergabe von Studienplätzen an staatlichen deutschen Hochschulen nicht zugelassen. Unter anderem, weil nur eine geringe sogenannte inkrementelle (zusätzliche) Validität gegenüber der Verwendung der Abiturnote zu erwarten wäre: Ein solcher Test würde möglicherweise nichts Weiteres messen als die Abiturnote (Allgemeinwissen) und damit in Kombination mit der Note die Vorhersage nicht verbessern. Dem stünde jedoch ein nicht unerheblicher zusätzlicher Aufwand für die Testerstellung und Durchführung gegenüber.

6 Bewertung, Herausforderungen und Perspektiven

Wie ist nun das System des Hochschulzugangs in Deutschland zu bewerten? Welche Herausforderungen gibt es? Zunächst einmal ist das System grundsätzlich sehr funktional. Eine in den letzten Jahren zunehmende Anzahl von Studieninteressierten nimmt in Deutschland jährlich ein Studium auf. Gleichzeitig steigt auch die Anzahl der Studienangebote kontinuierlich (Hachmeister 2021). Nur in wenigen Fächern (Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin, Pharmazie, Psychologie) gibt es deutschlandweit Zulassungsbeschränkungen, sodass in allen anderen Fächern allen grundsätzlich qualifizierten Studieninteressierten ein Studium offensteht.

Gleichzeitig ist das Zulassungssystem in Deutschland komplex. Es gelten von Fach zu Fach und von Hochschule zu Hochschule unterschiedliche Auswahlkriterien, es gibt verschiedene Studienplatz-Quoten, auf die man sich bewerben kann und je nach Studiengang muss man sich direkt an der Hochschule oder über die zentrale Plattform hochschulstart.de bewerben. Zumindest Letzteres soll in Deutschland seit Jahren anders werden und alle Bewerbungen über hochschulstart.de verwaltet werden. Dies ist bislang jedoch sowohl an technischen als auch an organisatorischen und politischen Aspekten gescheitert.

Ein Problem in Deutschland sind seit vielen Jahren hohe Studienabbruchquoten. Auch die veränderten Regeln für die Studierendenauswahl (stärkere Mitwirkung der Hochschulen) haben dieses Problem nicht lösen können, auch nicht die Umstellung auf gestufte Studiengänge (erst Bachelor, dann Master) im Zuge der europäischen Studienreform, der sogenannten Bologna-Reform. So beziffert das DZHW in einer 2018 veröffentlichten Studie die Studienabbruchquote unter Bachelorstudierenden (ohne Lehramt) für Studienanfänger mit deutscher Staatsangehörigkeit mit 27 %. An Universitäten brachen 32 % ihr Studium ab, an Fachhochschulen 23 % (Heublein et al. 2017). An den Universitäten gab es die meisten Studienabbrüche in den Naturwissenschaften und in Mathematik (43 %), Geisteswissenschaften und Sport (41 %) und in den Ingenieurwissenschaften (35 %). Immerhin konnte durch die Bologna-Reform, also die Aufteilung der längeren Diplom- und Magisterstudiengänge in jeweils kürzere Bachelor- und Masterstudiengänge, der Zeitpunkt des Studienabbruchs deutlich nach vorn verlegt werden.

Ein weiteres Problem ist die hoch selektive Beteiligung an akademischer Bildung bezogen auf den Bildungshintergrund des Elternhauses. Diese Selektion, auch als „Bildungstrichter“ bekannt, findet auf sämtlichen Stufen des Bildungssystems statt: Von 100 Kindern von Akademikern besuchen 83 die gymnasiale Oberstufe, die zum Abitur führt, von diesen wiederum nehmen 72 ein Studium auf. Weitere sieben gelangen über die berufliche Qualifikation zum Hochschulzugang. Von 100 Kindern von Nicht-Akademikereltern besuchen nur 46 die gymnasiale Oberstufe, von diesen nehmen dann 21 ein Studium auf, nur sechs weitere gelangen über den zweiten Bildungsweg an die Hochschule (Kracke et al. 2018).

Auch der Studienerfolg hängt maßgeblich mit der sozialen Herkunft der Studierenden zusammen: Unter den Studienabbrechern ist der Anteil von Personen aus Nicht-Akademikerhaushalten höher als unter den erfolgreichen Absolventen. Ein aktuelles Papier des Stifterverbandes zeigt, dass sich der oben beschriebene Bildungstrichter auch beim Studienerfolg fortsetzt: Von 100 Kindern in der Grundschule erreichen demnach 64 Kinder von Akademikereltern einen Bachelorabschluss, aber nur 20 Kinder von Nicht-Akademikereltern (Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 2021).

Weitere Anstrengungen, den Hochschulzugang einfacher und effizienter zu machen, den Studienerfolg weiter zu steigern und das Bildungssystem insgesamt sozial gerechter zu machen sind also notwendig. Der Autor hat dazu an anderer Stelle mögliche Lösungswege aufgezeigt (Brinkmann und Hachmeister 2021).