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Hürde Numerus Clausus

Am Institut für Pharmazie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg trainiert die Studentin des 4. Studienjahres, Lina Sahin unter Anleitung von Doktorand Tom Wersig (r) die Herstellung von sterilen Augentropfen, aufgenommen am 12.05.2017. Die Universität in Halle bildet bereits seit über 160 Jahren Apotheker aus und gehört in Deutschland zu den größten pharmazeutischen Hochschuleinrichtungen. In diesem Jahr begeht die Universität das 200-jährige Jubiläum der Zusammenlegung der Universitäten von Wittenberg und Halle zur Martin-Luther-Universität. Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa-Zentralbild/ZB +++(c) ZB-FUNKREGIO OST - Honorarfrei nur für Bezieher des ZB-Regiodienstes+++ +++ dpa-Bildfunk +++ Am Institut für Pharmazie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg trainiert die Studentin des 4. Studienjahres, Lina Sahin unter Anleitung von Doktorand Tom Wersig (r) die Herstellung von sterilen Augentropfen, aufgenommen am 12.05.2017. Die Universität in Halle bildet bereits seit über 160 Jahren Apotheker aus und gehört in Deutschland zu den größten pharmazeutischen Hochschuleinrichtungen. In diesem Jahr begeht die Universität das 200-jährige Jubiläum der Zusammenlegung der Universitäten von Wittenberg und Halle zur Martin-Luther-Universität. Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa-Zentralbild/ZB +++(c) ZB-FUNKREGIO OST - Honorarfrei nur für Bezieher des ZB-Regiodienstes+++ +++ dpa-Bildfunk +++
Am Institut für Pharmazie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg trainiert die Studentin des 4. Studienjahres, Lina Sahin unter Anleitung von Doktorand Tom Wersig (r) di...e Herstellung von sterilen Augentropfen +++ dpa-Bildfunk +++
Quelle: picture alliance / Waltraud Grub
Der Numerus Clausus gilt mittlerweile in immer weniger Studienfächer. Wer jedoch in Deutschland in einer beliebten Universitätsstadt studieren will, braucht dazu meist sehr gute Abiturnoten

Bundesweit beginnen in Deutschland pro Jahr fast eine Million junge Menschen ein Studium. Einige Fächer stehen Abiturienten ohne Zulassungsbeschränkungen offen, bei anderen müssen sie eine mal hohe, mal weniger hohe Hürde überspringen – den Numerus Clausus. Doch der „NC“ gilt mittlerweile laut einer aktuellen Studie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) in immer weniger Fächern. Wir sprachen mit dem Autor der Studie Cort-Denis Hachmeister. Der Diplompsychologe ist seit 1999 am CHE Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh, das von der Bertelsmann Stiftung und der Hochschulrektorenkonferenz als gemeinnützige GmbH geführt wird.

WELT: Herr Hachmeister, wie hoch ist die Numerus-Clausus-Quote an Deutschlands Hochschulen aktuell?

Cort-Denis Hachmeister: Im soeben gestarteten Wintersemester gab es bei 40,1 Prozent der Studienangebote in Deutschland einen NC. Weit über die Hälfte der rund 10.000 grundständigen Studiengänge stand den jungen Leuten ohne Zulassungsbeschränkungen offen.

Wie hat sich die NC-Quote denn in den vergangenen Jahren entwickelt?

Deutschlandweit ist die Quote bereits im fünften Jahr in Folge gesunken – zwar nur geringfügig, aber eben kontinuierlich. Als wir 2017 mit unseren Betrachtungen begannen, lag sie noch bei 42,2 Prozent.

Welche Studiengänge sind denn besonders häufig mit Zulassungsbeschränkungen belegt?

Da sind zunächst natürlich die bundesweit zulassungsbeschränkten Fächer Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin und Pharmazie und de facto auch die Psychologie. Auf rund jedem zweiten Studiengang liegt ein NC in der Fächergruppe Rechts-, Wirtschafts-, Gesellschafts- und Sozialwissenschaften. Bei den Ingenieurwissenschaften haben etwa zwei Drittel der Erstsemester unabhängig von der Abiturnote freien Zugriff. Und bei den Sprach- und Kulturwissenschaften sind aktuell rund drei Viertel der Studienangebote frei zugänglich.

Gibt es Unterschiede zwischen den Abschluss- und Hochschularten oder zwischen den einzelnen Bundesländern bzw. Hochschulstandorten?

Ja. An Unis gibt es etwas weniger Zulassungsbeschränkungen als an Fachhochschulen. Bei den Unis liegt der Anteil bei 37,5, an den Fachhochschulen bei 41,9 Prozent. 41,6 Prozent der Bachelor-Studiengänge sind zulassungsbeschränkt, 38,8 Prozent sind es beim Master. Ganz eklatante Unterschiede gibt es regional, vornehmlich zwischen Großstädten und ländlich geprägten Gebieten. Die höchsten NC-Quoten haben derzeit Hamburg und Berlin mit mehr als 65 Prozent. Das ist ja immer eine Sache von Angebot und Nachfrage. Das Leben und Studieren in Metropolen erscheint jungen Leuten vielfach attraktiver. Die Berliner Hochschulen beispielsweise könnten beim besten Willen gar nicht so viele Studienplätze anbieten, wie Bedarf besteht. In München sieht das nicht anders aus.

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Das heißt, dass in ländlicheren Regionen die Chancen deutlich besser stehen, einen Studienplatz im gewünschten Fach zu bekommen?

Richtig. In Mecklenburg-Vorpommern liegt die NC-Quote bei unter 20 Prozent. In Paderborn sind nur zehn Prozent der Studiengänge zulassungsbeschränkt, an der Uni Erlangen-Nürnberg sogar nur sechs Prozent. Manchmal lohnt aber auch schon ein Blick in die Nachbarstadt, wenn es mit dem Favoriten nicht klappt. Oft gibt es dort gleichwertige Studienangebote ohne NC. Beispielsweise ist Köln bei Studierenden sehr beliebt, die NC-Quote liegt aktuell bei 52 Prozent, in Bonn dagegen bei nur 28 Prozent.

Duale Studiengänge sind vielfach nicht mit einem NC belegt. Aber Firmen, bei denen Studierende ihre Praxisphasen absolvieren, erwarten oft einen Abischnitt von mindestens 2,5. Haben junge Leute mit einem schlechteren Schnitt damit gar keine Chance auf ein duales Studium?

Bei einem dualen Studium trifft ja das Unternehmen die Auswahl – und zahlt oftmals auch das Studium. Voraussetzung fürs Studium ist der Vertrag mit dem Unternehmen und das sucht sich seine Kandidaten natürlich nach seinen eigenen Kriterien aus. In Bayern beispielsweise gibt es die Regelung, dass jeder Studiengang auch dual studiert werden kann. Da kann es dann aber passieren, dass jemand, der aufgrund seiner nicht so guten Abi-Note kein Unternehmen fürs duale Studium findet, das gewünschte Fach ganz klassisch ohne Zulassungsbeschränkung studieren kann. Und nach einem guten Studienabschluss vielleicht später sogar eine Stelle in genau dem Unternehmen findet, das ihn oder sie vorher abgelehnt hat.

Wie aussagekräftig ist aus Ihrer Sicht die Abiturnote für die Zulassung zum Studium?

Der NC steht ja dem verbrieften Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte entgegen. Daher sind die zulässigen Auswahlkriterien gesetzlich vorgegeben. Die Abiturnote bietet schon eine ganz gute Vorhersage für den späteren Studienerfolg, aber eben nur teilweise und schon gar nicht in jedem Fach. Deswegen halte ich es für eine gute Entwicklung, dass in den letzten Jahren die Macht des Abi-Durchschnitts etwas gebrochen worden ist durch zusätzliche Kriterien wie Einzelfachnoten, Auswahltests, vorherige Berufserfahrung oder Auswahlgespräche.

Wie halten es andere europäische Länder mit der Zulassung zum Studium?

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Österreich beispielsweise setzt auf Zugangstests anstelle der Matura-Note und auf eine Orientierungsphase, die erfolgreich absolviert werden muss. Ein ähnliches Modell gibt es in den Niederlanden. Dort erwerben Studierende im ersten Jahr ihres Bachelor-Studiums eine Art Mini-Abschluss – als Voraussetzung dafür, weiterstudieren zu dürfen. Das entspricht im Grunde genau dem, was der Wissenschaftsrat auch für Deutschland gefordert hat – nämlich eine Entscheidung über den Verbleib an der Uni nach dem ersten Studienjahr.

Was steckt hinter dieser Forderung?

Die hohe Abbrecherquote. Und die Tatsache, dass viele Studierende erst relativ spät abbrechen, weil sie dann erst realisieren, dass sie das falsche Fach gewählt haben oder ihnen das wissenschaftliche Arbeiten generell gar nicht liegt. Das niederländische Modell macht die Studieneingangsphase verbindlicher. Da wird im ersten, sehr stark strukturierten Studienjahr ein Überblick vermittelt, wie der Wissenschaftsbetrieb eigentlich abläuft. Da geht es um fächerübergreifende Fähigkeiten. Den Studierenden gibt das eine grundsätzliche Orientierung, ob ihnen wissenschaftliches Arbeiten überhaupt liegt.

Könnten sich die deutschen Hochschulen da also etwas bei ihren europäischen Nachbarn abgucken?

Die Idee aus den Niederlanden und aus Österreich, im ersten Studienjahr stärker auf eine grundsätzliche Orientierung im akademischen System zu setzen, hat durchaus Nachahmungspotenzial. An der Universität in Lüneburg wird mit dem Leuphana-Semester ein solches Modell sogar bereits praktiziert.

Sie haben bei Ihrem Blick in andere europäische Länder in Ihrer jüngsten Studie auch die Hochschulen in Großbritannien unter die Lupe genommen.

Dort wird seit einigen Jahren der sozialökonomische Hintergrund der Studienbewerberinnen und -bewerber bei der Zulassungsentscheidung berücksichtigt. Großbritannien ist da trotz seines Zwei-Klassen-Bildungssystems einen Schritt weiter als Deutschland. Hierzulande ist die soziale Herkunft an keiner Hochschule ein Kriterium bei der Zulassung zum Studium. Dabei sind Kinder aus nicht-akademischen Elternhäusern deutlich benachteiligt gegenüber Akademiker-Kindern, was die Teilhabe an Bildungsangeboten betrifft. Nicht wenige Kinder aus bildungsfernen Haushalten gehen uns schon auf frühen Stufen des Bildungssystems, schon weit vor dem Abitur, verloren.

Inwiefern könnten Unterschiede in der sozialen Herkunft auch in Deutschland bei der Zulassung zum Studium berücksichtigt werden?

Theoretisch denkbar ist ein Punktesystem, bei dem Studienbewerbern je nach sozialem Hintergrund Bonuspunkte gutgeschrieben werden. Oder es gibt wie in Großbritannien ein Extra-Kontingent an Studienplätzen. In Deutschland stehen wir in dieser Debatte aber erst ganz am Anfang. Da müsste man erst einmal einen politischen und gesellschaftlichen Konsens finden und dann schauen, ob und wie Formen solch einer positiven Diskriminierung grundgesetzkonform realisierbar wären.

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